Praxislaboratorium AUDI AG: Dokumentation

 

Laboratorium mit Strahlkraft

Komplexe Transformationsprozesse, können (nur) gelingen, wenn Beschäftigte, Management und Betriebsrat an einem Strang ziehen, auf Augenhöhe agieren und aus der konkreten Arbeitspraxis heraus den Umbruch gemeinsam gestalten. Das betriebliche Praxislaboratorium bei Audi öffnet den Weg für eine moderne Arbeitszeitgestaltung in der industriellen Produktion. Und es nimmt vorweg, wie Unternehmen sich in Zukunft als agile Mitmachorganisationen neu aufstellen können. Wie diejenigen, die dieses außergewöhnliche Projekt vorangetrieben und gefördert haben, das Lab mit Blick auf seine Ergebnisse und Wirkung reflektieren, haben wir hier zusammengefasst.

Podium zur Vorstellung der Dokumentation
V.l.n.r.: Peter Mosch, Dr. Kira Marrs, Dr. Sabine Maaßen, Lena Morawek (Moderation), Anita Back, Rebecca Meyer, Marika Paulus, Carsten Mohr

Aus dem Management

Dr. Sabine Maaßen, Arbeitsdirektorin und Vorständin Personal und Organisation der AUDI AG

Zukunftsweisend für die Unternehmenskultur

„Frauen waren die Macherinnen“, sagt Sabine Maaßen. Aber das Lab ist für sie auch deswegen ein wichtiges Pilotprojekt, weil auf dem Weg zu einer flexiblen Arbeitsorganisation alle Audi-Beschäftigten hiervon profitieren können. Die Mehrheit von ihnen arbeitet in der Produktion. Ein flexibles Schichtmodell wie das Labteam es jetzt erstmalig entwickelt hat, galt in taktgebundenen Bereichen lange als undenkbar. Auch mit Blick auf die Unternehmenskultur hält Maaßen die Arbeit des Teams für zukunftsweisend. Denn die Personalmanagerin wünscht sich eine empowerte Belegschaft – Beschäftigte, deren Expertise gefragt ist und die in dem historischen Transformationsprozess, den der Automobilbauer aktuell zu stemmen hat, aus eigenem Antrieb „mit anpacken“.

Aus dem Betriebsrat

Peter Mosch, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der AUDI AG

Transformation im Sinne der Beschäftigten

Auf eine „Transformation im Sinne der Beschäftigten“ arbeitet Peter Mosch hin. Und die kann nach seiner Überzeugung nur in einer modernen, mitbestimmten Kultur der Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitenden, Management und Betriebsrat gelingen, die das Expertenwissen von allen nutzt und so eine breite Akzeptanz für Veränderungen schafft. In der Produktion ist dies eine besondere Herausforderung.  „Das Lab zeigt uns wie es geht“, sagt der Betriebsratschef. Doch das Laboratorium hat für ihn nicht nur Signalwirkung für andere Betriebe und die Zukunft der Mitbestimmung in der digitalen Arbeitswelt insgesamt. Es zeigt auch, wie in der Fertigung moderne Arbeitsplätze geschaffen werden können mit einem Schichtbetrieb, der attraktiver ist als heute.

Aus der Wissenschaft

Dr. Kira Marrs, Projektleiterin #WomenDigit und Wissenschaftlerin am ISF München

Mitarbeitende gestalten den Umbruch

„Die Kardinalfrage ist wie wir die Menschen in der Transformation nicht nur mitnehmen, sondern auch zu Gestaltenden des Umbruchs machen können“, betont Kira Marrs. Ein Praxis-Lab schafft mit seinen Prinzipien Agilität, Beteiligungsorientierung und Sozialpartnerschaft nach ihrer Überzeugung hierfür genau den richtigen Rahmen – auch in der industriellen Produktion. Denn das Audi-Lab hat Erstaunliches erreicht. Wir wissen jetzt: Starre Schichtsysteme und individuelle Arbeitszeitflexibilität sind kompatibel. Die Lebenswirklichkeit der Produktionsbeschäftigten kann dies weitreichend verbessern. Möglich gemacht hat dies ein interdisziplinär besetztes Lab-Team, das die weitreichenden und komplexen Herausforderungen und Auswirkungen des Arbeitszeitthemas ganzheitlich erfasst und erschlossen hat – von den Arbeitszeitwünschen der Mitarbeitenden bis hin zu personalpolitischen Regularien. „Dass Produktionsbeschäftigte ihre Arbeitszeiten in einem solch ergebnisoffenen Experimentierraum auf Augenhöhe mitgestalten können, ist Ausdruck eines gewaltigen Umdenkens, das den Weg weist in die agile Mitmachorganisation der Zukunft.“, betont Arbeitsforscherin Marrs.

Aus dem Lenkungskreis

Carsten Mohr, Leiter der Lackiererei der AUDI AG in Ingolstadt und Mitglied des Lenkungskreises

Keimzelle eines Kulturwandels

Für Carsten Mohr ist das Betriebliche Praxislaboratorium mit seiner agilen Methodik nicht nur der Schlüssel zum Erfolg, um ein bislang starres Schichtmodell aufzubrechen. „Es hat auch einen Kulturwandel angestoßen“, betont der Manager. Augenhöhe zwischen den Teilnehmenden, kontinuierliche Information und Kommunikation in Richtung Belegschaft sowie regelmäßige Feedback-Runden mit dem Lenkungskreis waren nach seiner Überzeugung entscheidend für das Gelingen eines außergewöhnlichen Gestaltungsvorhabens, das nun in der Lackiererei auch nach dem offiziellen Projektende in Eigenregie und mit großem Erfolg weitergeht. Die Erfahrungen aus der bisherigen Lab-Arbeit und neue Ideen, die noch in der Pipeline sind, will Mohr jetzt nutzen, um gemeinsam mit dem Team das neue Schichtmodell auszubauen und weiter dafür zu werben, aber auch, um die Weichen in der Arbeitswelt neu zu stellen.

Aus dem Labteam

Marika Paulus, Labteam-Leiterin, Anita Back, Gruppensprecherin Produktion, Rebecca Meyer, Produktion Disposition Anbauteile

Die richtige Methodik und viel Herzblut

Für sie war die gemeinsame Gestaltungsarbeit über Hierarchieebenen hinweg und mit Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen der Audi-Lackiererei eine wichtige neue Erfahrung, auf der sie jetzt weiter aufbauen wollen. „Im Kleinen“ anfangen, das Gelernte sammeln, sich von dort aus Schritt für Schritt vorarbeiten, nachjustieren, das Geschaffene wieder optimieren und dabei im persönlichen Austausch die Zusammenarbeit immer weiter festigen: Diese Vorgehensweise hat Marika Paulus, Anita Back und Rebecca Meyer überzeugt. Erfolgsentscheidend waren für Teamleiterin Paulus am Ende vier Dinge: eine transparente Kommunikation über das Projekt und seine Entwicklung, die richtige Methodik, „viel Herzblut“ im Team und nicht zuletzt das Commitment von Management und Betriebsrat: „Beide haben immer hinter dem Thema und hinter dem Team gestanden.“

Das flexible Schichtmodell

Das für die Audi-Lackiererei in Ingolstadt entwickelte Schichtmodell basiert auf einem Pool aus qualifizierten „Springerinnen und Springern“, die normalerweise in nicht taktgebundenen Bereichen arbeiten. Ist eine Teilzeit-Fachkraft aus der Produktionslinie abwesend füllen sie die Lücke für den entsprechenden Zeitraum. Zum Einsatz kommen zum Beispiel Auszubildende, Beschäftigte mit Einschränkungen oder Angestellte. Die Teilnahme ist freiwillig. Gestartet mit zwei Teilzeitkräften und vier Springerinnen und Springern soll der Kreis von derzeit rund 50 Mitarbeitenden, die sich an dem Modell beteiligen, jetzt sukzessive erweitert werden. Das Unternehmen plant, dieses Arbeitszeitmodell auf weitere Bereiche der Produktion auszuweiten.


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